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Hintergrund


Räuchermischungen tauchten im Jahr 2004 erstmals in Europa auf und wurden anfänglich unter der Produktbezeichnung ‚Spice’ angeboten. Mitte 2008 hatten Räuchermischungen in vielen Ländern, beispielsweise in Deutschland, Polen und Großbritannien, durch die Medienberichterstattung eine hohe Popularität erlangt. Im Dezember 2008 wurden dann durch deutsche Labore synthetische Cannabinoide in diesen Produkten festgestellt. Viele dieser Cannabinoide wurden erstmals in den 1980er und 1990er Jahren im Rahmen pharmazeutischer Forschung synthetisiert. Sie sind niemals zuvor für gewerbliche Produkte verwendet worden und es wurden auch keine Studien am Menschen dazu durchgeführt, so dass diese Produkte im pharmakologischen Sinn als "nicht sicher" gelten müssen.


Die JWH-Serie, entwickelt von dem Chemiker John W. Huffman an der Clemson Universität, ist die am weitesten verbreitete Gruppe von synthetischen Cannabinoiden (z.B. JWH-018, JWH-073 und JWH-210). Andere Bezeichnungen synthetischer Cannabinoide lauten beispielsweise HU-210 (HU steht für Hebräische Universität von Jerusalem), AM-694 (AM steht für Alexandros Makriyannis, ein weiterer Cannabinoid-Forscher) oder CP 47,497 (von der Firma Pfizer entwickelt). Es gibt Hunderte von synthetischen Cannabinoiden, die als psychoaktive Inhaltsstoffe in einer Räuchermischung wirken können.

 

Verbreitung / Konsummotivation


Während des Medienhypes um ‚Spice’-Produkte wurden diese als ‚legale Alternative’ zu Cannabis bezeichnet, so dass sie in der Anfangszeit bei Konsumierenden aus verschiedenen Altersklassen und sozialen Schichten populär waren. Es scheint insofern ein Zusammenhang zwischen medialem Interesse und der Verbreitung von synthetischen Cannabinoiden zu bestehen.


Bislang gibt es wenige repräsentative Daten zum Konsum von Räuchermischungen. Eine jährliche repräsentative Befragung unter Frankfurter Schülerinnen und Schülern hat gezeigt, dass der Anteil der 15- bis 18-Jährigen, die jemals Räuchermischungen konsumiert haben, von sechs Prozent im Jahr 2008 auf neun Prozent im Jahr 2010 angestiegen ist; im Jahr 2011 gab es indes einen Rückgang der Konsumerfahrungen auf sieben Prozent. Eine ähnliche Verbreitung wurde auch in einer in derselben Altersgruppe im Jahr 2009 in Hamburg durchgeführten Studie festgestellt: Sechs Prozent hatten jemals im Leben ein ‚Spice’-Produkt konsumiert. In einer Erhebung bei Erwachsenen (18 bis 64 Jahre) in Deutschland aus dem Jahr 2009 lag die Lebenszeitprävalenz bei 0,8 Prozent, die 12-Monatsprävalenz bei 0,4 Prozent. Ergebnisse des British Crime Surveys (2010/11) zeigten, dass 0,4 Prozent der jungen Erwachsenen (16- bis 24-Jahre) in England und Wales jemals im Leben eine Räuchermischung konsumiert hatten. Es ist hervorzuheben, dass es nur sehr wenige regelmäßige Konsument/-innen synthetischer Cannabinoide gibt.
Wenig ist bislang zu den Besonderheiten, Typen und Motiven der Konsumierenden bekannt. Eine Online-Befragung in Deutschland zeigte, dass die größte Gruppe der Konsumierenden 'Probierer’ bzw. Gelegenheitskonsumierende sind, deren Hauptmotiv Neugierde ist. Da synthetische Cannabinoide auch als Ersatz für Cannabis verwendet werden, spielt die Verfügbarkeit und Qualität von Cannabis eine wichtige Rolle für die Verbreitung von ‚Spice’-Produkten. Ein beachtlicher Teil der Konsumentinnen und Konsumenten von Räuchermischungen nennt zudem die Nicht-Nachweisbarkeit in gängigen Drogentests als ein wichtiges Konsummotiv. Bislang weiß man, dass die meisten der regelmäßigen Gebraucherinnen und Gebraucher von Räuchermischungen auch gleichzeitig Cannabis konsumieren; nur eine kleine Gruppe hat ihren Gebrauch illegaler Drogen vollständig durch Räuchermischungen ersetzt. Es bleibt abzuwarten, ob sich ein neuer Trend durchsetzt und sich eine stabile Gruppe regelmäßig Konsumierender entwickelt.

 

Rechtliche Aspekte


Eine Besonderheit des ‚Legal High’-Phänomens ist, dass Substanzen, die in die Anhänge des Betäubungsmittelgesetzes aufgenommen wurden, schnell durch andere, noch 'legale', ersetzt werden. Der ständige Wechsel von Mischungen und Substanzen durch die Hersteller und Händler macht es schwer, das Angebot dieser Produkte einzuschätzen, zu beobachten und zu kontrollieren. Spezialisierte Labore sind aber inzwischen in der Lage, alle marktgängigen synthetischen Cannabinoide zu entdecken. Mittlerweile haben nahezu alle europäischen Länder rechtliche Kontrollmaßnahmen bezüglich der ersten bekannt gewordenen synthetischen Cannabinoide (z.B. JWH-018) ergriffen. Bislang ist aber keines der in ‚Spice’ oder ‚Spice’-ähnlichen Produkten enthaltenen synthetischen Cannabinoide der internationalen Kontrolle durch die Konventionen der Vereinten Nationen unterstellt worden.
Zurzeit unterscheidet sich der Kontrollstatus dieser Substanzen erheblich von Land zu Land. In Ländern wie Großbritannien und der Schweiz wurde ein 'generischer' Ansatz gewählt, um nicht nur bereits bekannte synthetische Cannabinoide, sondern auch strukturell ähnliche Substanzen zu erfassen. Österreich hat im Jahr 2012 ein Gesetz zu Neuen Psychoaktiven Substanzen (NPSG) mit einem generischen Ansatz zum Schutz der Gesundheit der Konsumierenden und zur Abschreckung der Erzeuger und Händler
eingeführt. In Polen verbietet ein neues Gesetz die Herstellung, Bewerbung und Markteinführung sogenannter 'Substitutsdrogen'. In manchen Ländern, (z.B. in Deutschland) wird auch das Arzneimittelgesetz zur Kontrolle von ‚Legal Highs’ eingesetzt. In anderen europäischen Ländern wurden bislang keine speziellen rechtlichen Regelungen eingeführt (weitere Informationen zum Status der rechtlichen Kontrolle von synthetischen Cannabinoiden in Europa: www.emcdda.europa.eu).
Die meisten europäischen Länder versuchen, ihr Handeln bezüglich der neuen psychoaktiven Substanzen zu beschleunigen und die öffentliche Gesundheit mit neuen Gesetzen zu schützen.

 

Risiken


Obwohl die psychoaktiven Effekte mit denen von Cannabis vergleichbar sind, können sich die gesundheitlichen Auswirkungen synthetischer Cannabinoide zum Teil erheblich von Cannabis unterscheiden. Bislang gibt es aber nur wenige gesicherte Erkenntnisse über akute oder langfristige gesundheitliche Beeinträchtigungen. Synthetische Cannabinoide können aber z.B. psychotische Episoden, Panikattacken, Herzrasen (Tachykardie), Bluthochdruck, Übelkeit und Krämpfe hervorrufen und möglicherweise auch Organe schädigen. Es gibt den begründeten Verdacht, dass synthetische Cannabinoide wesentlich gesundheitsschädlicher sind als herkömmliches Cannabis. Diese Annahme rührt daher, dass diese synthetischen Substanzen zumeist volle Agonisten an Cannabinoidrezeptoren sind, während THC ein Teilagonist ist (d.h. die maximal erreichbare Wirkung ist bei den synthetischen Cannabinoiden wesentlich stärker). Darüber hinaus gibt es erste Hinweise auf ein krebserregendes Potenzial einiger Wirkstoffe. Zudem gibt es Erfahrungsberichte, die darauf hindeuten, dass einige dieser Substanzen ein starkes Abhängigkeitspotenzial besitzen. Zusätzlich kann es durch unbekannte Inhaltsstoffe oder zu hohe Beimengungen in Räuchermischungen sowie bedingt durch die starke Wirksamkeit aufgrund der Rezeptorbindung einiger synthetischer Cannabinoide leicht zu Überdosierungen kommen.
Ein weiteres Risiko besteht darin, dass Produkte mit ein- und derselben Bezeichnung verschiedene Mengen und Arten synthetischer Cannabinoide enthalten können; insofern besteht
beim Konsumenten keine Sicherheit darüber, was eigentlich konsumiert wird.
Es stellt sich die Frage, wie sich mögliche Gesundheitsschäden durch den Konsum neuer psychoaktiver Substanzen vermeiden oder wenigstens verringern lassen. Zuallererst braucht es dazu genaue und verlässliche Informationen zu den Substanzen und ihren Risiken. Die verschiedenen Informationen und Beratungsangebote, die es bereits zu den bekannten illegalen Drogen gibt, sind durchaus auch für die Konsumierenden von sogenannten ‚Legal Highs’ hilfreich. Zur Bereitstellung von Informationen, Beratungen und Hilfen ist insbesondere das Internet nützlich.

 

Quelle: Broschüre zu synthetischen Cannabinoiden, Herausgeber Das Spice Konsortium, c/o PD DR.Volker Auwärter, Universitätsklinikum Freiburg